Hintergrundinformationen zur Überwindung wolfssicherer Zäune (16.01.2019)
Seit dem 28. Dezember 2018 wurden im Kreis Pinneberg insgesamt sieben Rissvorfälle (Stand: 14. Januar 2019) hinter wolfssicheren Zäunen gemeldet. Derzeit überprüft das Ministerium, ob es sich bei dem Verursacher um einen Wolf handelt.
Die DNA-Ergebnisse werden Ende der dritten oder Anfang der vierten KW erwartet. In diesem Zusammenhang sind einige Fragen aufgetaucht, auf die das MELUND nachfolgend kurz eingeht:
1. Wann wird von einem „Problemwolf“, wann von einer „Verhaltensauffälligkeit“ gesprochen?
Bei Problemwölfen handelt es sich um Tiere, denen es beispielsweise gelungen ist zu lernen, wie wolfssichere Einzäunungen überwunden werden können. Wird mehrmals nachgewiesen (in der Regel zweimal), dass ein Tier wolfssichere Einzäunungen überwunden hat, kann ein Antrag auf Tötung (Fachleute sprechen von „Entnahme“) auf der Grundlage der Ausnahmeregelungen des § 45 Abs. 7 Bundesnaturschutzgesetz gestellt werden.
Problemwölfe gelten nicht als „auffällige Wölfe“, da das Töten von Beutetieren kein unnatürliches Verhalten von Wölfen ist. Das Töten von Nutztieren durch sogenannte Problemwölfe ist gleichwohl unerwünscht. Mehr Informationen zum Verfahren bei der Entnahme finden Sie unter Frage 2 bis 5.
Davon zu unterscheiden sind verhaltensauffällige Wölfe, also Wölfe, die gegenüber Menschen ein Verhalten zeigen, welches jenseits der Brandbreite des Verhaltens der meisten Individuen dieser Art liegt.
Auf einem anderen Blatt stehen wirklich kritische Situationen. Bei Gefahr im Verzug greift selbstverständlich Polizeirecht. Hier sind Vorkehrungen mit dem Innenministerium getroffen worden. Die Zusammenarbeit der Behörden ist sichergestellt, so dass im Ernstfall unmittelbar reagiert werden kann.
2. Nachweis und Individualisierung des Wolfes
Wichtig ist zunächst ein DNA-Nachweis, um dieses anspruchsvolle Verfahren rechtssicher durchführen zu können. Im Rahmen dieses Gentests erfolgt eine rechtlich belastbare Verursacherbestimmung. In den aktuellen Fällen reicht ein Nachweis, dass es sich um einen Wolf handelt. Es liegen ausreichend Hinweise darauf vor, dass sich in diesem Gebiet nur dieser eine Wolf aufhält, sodass das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und Ländliche Räume (LLUR) eine Genehmigung für den Abschuss in einer definierten Region ausstellen könnte. Hinweise auf weitere Wölfe gab es in den letzten Monaten trotz zahlreicher Rissereignisse dort nicht. Damit könnte eine lokal begrenzte Abschussgenehmigung für einen Wolf und für die Dauer von vier Wochen erteilt werden. Eine Verlängerung der Genehmigung ist dann möglich, wenn die Umstände vor Ort dies notwendig erscheinen lassen.
3. Wer darf einen Antrag auf Entnahme eines Wolfes stellen?
Ein Antrag kann formlos beim LLUR als zuständiger Behörde gestellt werden. Erfolgversprechend können im Hinblick auf eine Genehmigung aber nur die Anträge sein, die von jemandem gestellt werden, der oder die durch den Wolf geschädigt wurde oder die realistisch ein Schaden zu erwarten hat, also beispielsweise schon betroffene Schafhalter, aber auch diejenigen, die in einem lokalen Umfeld zu den aktuellen Rissereignissen wirtschaften (Schadensprognose).
Anträge „aus allgemeinem Interesse“ sind nicht möglich. Erforderlich ist eine persönliche Betroffenheit. Ob anerkannte Naturschutzverbände einen Antrag stellen können, hängt von der konkreten Satzung und der konkreten Begründung ab: Der Verband müsste in eigenen Rechten betroffen sein.
Grundsätzlich gilt: Die Anonymität der Antragstellenden wird – nicht zuletzt durch die Datenschutzgrundverordnung – gewahrt.
4. Wer darf bei einem Antrag auf Entnahme den Wolf töten?
Im Falle einer Genehmigung sucht der Antragsteller oder die Antragstellerin einen oder eine Jagdscheininhaber oder - inhaberin, der oder die den Wolf tötet. Der Landesjagdverband Schleswig-Holstein hat das Ministerium Mitte Dezember in einem Schreiben gebeten, anders als in Brandenburg, die Zusammenarbeit mit der organisierten Jägerschaft in Punkto Entnahme von sogenannten Problemwölfen zu suchen.
5. Was passiert, wenn kein Antrag gestellt wird?
In bestimmten Fällen kann sich die Notwendigkeit ergeben, dass die zuständige Behörde von Amts wegen aktiv werden muss. In diesen Fällen bedarf es keines Antrages. Allerdings sind auch in solchen Fällen zahlreiche Parameter zu prüfen, um zu gewährleisten, dass das behördliche Vorgehen rechtmäßig erfolgt.
Um einen Wolf töten zu können, ist eine artenschutzrechtliche Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG erforderlich. Eine Ausnahme kann erteilt werden, wenn die dort genannten Ausnahmetatbestände (z.B. Schäden, Forschung, etc.) vorliegen, es keine zumutbaren Alternativen gibt und sich der Erhaltungszustand der Population nicht verschlechtert beziehungsweise die Entwicklung in Richtung des günstigen Erhaltungszustandes nicht behindert wird. In diesem Verfahren wird der Wolf genauso behandelt wie jedes andere geschützte Tier, für das eine Ausnahme beantragt wird, wie z.B. Kormoran, Saatkrähe, Fischotter und Biber. Daher sollten wie bei anderen Tierarten auch üblich die Nutzerinnen und Nutzer selbst einen Antrag auf Entnahme stellen. Eine Übernahme durch das MELUND wäre insofern problematisch, da Antragstellerinnen und -stellern bei Anträgen zur Entnahme anderer besonders und streng geschützter Tierarten vor dem Hintergrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes ebenfalls dahingehende Forderungen stellen würden. Dies wäre durch das Land aufgrund der Vielzahl der denkbaren Fälle kaum zu leisten.
6. Warum gelten bestimmte Zäune in SH als wolfssicher?
Dass Wölfe hoch springen können ist jedem klar, der sich mit der Thematik auseinandersetzt, jedoch tun sie dies nicht zwangsläufig. In der Regel ist der Strom der abschreckende Faktor und nicht die Zaunhöhe. Bestimmte Umstände können jedoch dazu führen, dass Wölfe das Überwinden auch stromführender Zäune erlernen. Beispielsweise wenn die Zäune keine Stromversorgung aufweisen und die Tiere somit genügend Zeit haben, das Hindernis zu untersuchen und auszuprobieren, wie sie dieses am besten überwinden können oder wenn die verwendeten Zaunhöhen aufgrund ihrer sehr geringen Höhe grundsätzlich kein Hindernis für Wölfe darstellen. Wenn von wolfssicheren Zäunen gesprochen wird, heißt das also nicht, dass es eine 100-prozentige Garantie dafür gibt, dass der Zaun nicht überwunden wird. Es heißt aber, dass es einen sehr hohen Schutz gibt und dass der Schafhalter das Zumutbare für die Sicherheit seiner Schafe getan hat. Dies spielt unter anderem eine Rolle bei der sogenannten Alternativenprüfung im Rahmen einer Entnahme von „Problemwölfen“.
7. Warum unterscheiden sich die vorgeschriebenen Zaunhöhen je nach Bundesland?
In der Regel ist es notwendig, Maßnahmen im Rahmen des Wolfsmanagements im Einzelnen auf der Grundlage länderspezifischer Besonderheiten auszugestalten. Eine enge Anlehnung an die Managementverfahren des Landes Sachsen erscheinen nicht hilfreich, da sowohl die landschaftlichen, die klimatischen als auch die landwirtschaftlichen Strukturen in Sachsen nicht mit denen in Schleswig-Holstein vergleichbar sind.
Die als wolfssicher bewerteten Verfahren wurden seit dem ersten Auftreten von Wölfen in Schleswig-Holstein aufgrund landesspezifischer Besonderheiten entwickelt. In Schleswig-Holstein gelten Flexizäune (Schafnetze) als wolfssicher, die eine Zaunhöhe von 1,05 bis 1,08 Meter aufweisen und in allen Teilen mit mindestens 3.500 Volt versehen werden. Unter bestimmten Umständen ist die Aufstellung solcher Flexizäune nicht möglich (hohe Windlasten, sehr weiche Bodenstrukturen), so dass in diesen Fällen z.B. für Schafe Litzenzäune mit einer Mindesthöhe von 1 Meter und vier Litzen empfohlen werden; die unterste Litze darf nicht mehr als 20 cm vom Boden entfernt sein (Unterlaufsicher). Sollte sich zeigen, dass die bislang verwendeten Zaunhöhen nicht mehr ausreichend sein sollten, können diese auf der Grundlage länderspezifischer Erfahrungen fortentwickelt werden.
Verantwortlich für diesen Pressetext: Jana Ohlhoff | Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung | Mercatorstraße 3, 24106 Kiel | Telefon 0431 988-7044 | E-Mail: pressestelle@melund.landsh.de |
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